Über Social Media reden tagtäglich viele Menschen, ohne sich auszukennen. Aktuell haben „Experten“ des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) die Kosten von Influencer versus TV Werbung gegenübergestellt, wie W&V berichtete. Dabei sind sie zum Schluss gekommen, dass man mit klassischer TV-Werbung für weniger Geld mehr Menschen erreiche als mit einer Influencer Kampagne. Sorry, aber das können wir wirklich nicht so stehen lassen. Das sind unsere 7 Einwände:
1. Was heißt hier eigentlich „erreichen“?
Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) behauptet: Um rund 730´000 Menschen zu erreichen, zahle man bei einem 30-Sekünder im ZDF-Werbefernsehen bis zu 38.000 Euro, während ein Influencer-Post mit derselben Reichweite bis zu 240.000 Euro koste. Zunächst fragen wir uns, was eigentlich 730´000 „erreichte“ Menschen sein sollen. Man kann fürs Fernsehen die eingeschalteten Bildschirme hochrechnen, aber sicher kennt man ihre Zahl nicht. Des Weiteren nimmt man eine durchschnittliche Anzahl Menschen vor jedem Bildschirm an. Jedoch: Bleiben die dort, wenn die Werbung beginnt? Oder gehen sie in die Küche, um sich ein Sandwich zu holen? Checken sie Mails oder ihre Social Media Accounts?
Wer von TV-Zuschauern spricht, die man „erreiche“, spricht in Wahrheit von potenziellen Viewern. Im Unterschied dazu handelt es sich bei einer Influencer Kampagne um tatsächliche Viewer, deren Anzahl sich exakt ermitteln lässt. Kann man also potenzielle und tatsächliche Viewer vergleichen? Natürlich nicht. Und in welche Statistik geht der youtubende TV-Zuschauer ein? In beide. In die TV-Statistik zu Unrecht. Und in die Social Media-Statistik zu Recht.
2. Nur korrekte Zahlen sind vergleichbar
240´000 Euro kostet es angeblich, 730´000 Views via Influencer Marketing zu bekommen. Wie diese Zahl zustande kommen soll, ist uns ein Rätsel. Bei einem durchschnittlichen TKP von 50 kostet eine Reichweite von 730´000 Views gerade mal 36´000 CHF! Selbst wenn ein Unternehmen sich eine Social Media Agentur leistet, die den Content professionell konzipiert und produziert, ist das alles „Low Budget“ im Vergleich zu dem, was die Realisierung eines Fernsehspots kostet.
3. Verschiedene Watchtimes
Das Einzigartige beim Influencer Marketing ist, dass sich die tatsächlichen Watchtimes exakt ermitteln lassen. Wir wissen, wie lange ein Werbepost geschaut wurde. Bei TV-Werbung wissen wir das nicht. Aber eines können wir sicher sagen: Postings von Influencern werden immer länger angeschaut als Ads im Fernsehen. Der Grund liegt auf der Hand: Die Audience hat den Content des Influencers aus eigenen Stücken abonniert. Sie will diese Videos sehen. Das ist bei TV-Werbung nicht der Fall. Entsprechend ist der Eindruck tiefer, den ein Posting auf YouTube, Instagram und Co. beim Viewer hinterlässt.
4. Involvierung extrem unterschiedlich
Aus der Freiwilligkeit resultiert bei Fans von Influencern in den Social Media noch etwas anderes: Die Involvierung ist ungleich höher als beim Konsum von Fernsehwerbung. Die Viewer schauen die Videos, weil sie wissen möchten, was ihre Idole machen, was sie mögen und empfehlen. Und wenn die Clips gut gemacht sind auch deshalb, weil sie mit ihnen lachen können. Influencer sind ja sozusagen von der Zielgruppe selbst gewählte Testimonials. Und was die sagen, hat Gewicht. Von der höchst unterschiedlichen Involvierung spricht aber keiner der Studienautoren.
5. Interaktionsrate 0% versus bis zu 22%
Im Gegensatz zu TV-Werbung ermöglichen Influencer Posts in den Social Media Interaktion zwischen Sender und Empfängern. Und die findet dank der höheren Involvierung auch tatsächlich statt. Je besser der Influencer und je lebendiger sein Verhältnis zur Audience, desto höher sind die Interaktionsraten. Ein Entertainment-Naturtalent wie Gabirano beispielsweise erzielt auch mal Interaktionsraten von bis zu 22%.
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6. Produktionskosten nicht vergessen!
Wie so oft gehen auch beim Kostenvergleich des IW die Produktionskosten anscheinend völlig unter. Für die Produktion eines Fernsehclips kann aber locker mal eine halben Million Schweizer Franken draufgehen. Denn Fernsehwerbung geht nur in Perfektion. Sie ist den strengen Auflagen des Branding unterworfen und erfordert das Engagement professioneller Schauspieler. Hier sind viel mehr Player (Agenturen, Produktionsfirmen etc.) beteiligt, die alle gut bezahlt werden wollen.
7. Wo geht wie viel Targeting?
Immerhin geben die Autoren zu, dass TV-Werbung oft nicht die richtigen Menschen erreicht. Wir gehen noch weiter: Wen man erreicht, lässt sich über TV-Werbung kaum planen. Wer vor dem Fernseher sitzt, wissen wir nicht so genau. Ausser dass es ältere Gruppen von Menschen gibt, die man nach wie vor hauptsächlich über das Fernsehen erreicht. Je nach Programm kann die Zielgruppe geschätzt werden. Influencer Marketing ist hingegen das perfekte Instrument, um Menschen zwischen 10 und 34 Jahren zu erreichen. Die schauen bekanntlich kaum noch fern. Im Social Web können wir sie hingegen ganz gezielt targeten. Wie man es also dreht und wendet: Der Streuverlust bei Fernsehwerbung ist enorm!
Influencer versus TV – das ist unser FAZIT
Mit falschen Zahlen kann man viel belegen. Zur IW-Studie sagen wir nur: Das Gegenteil ist der Fall. Influencer Marketing ist günstiger und zugleich effektiver als TV-Werbung. Noch entscheidender ist allerdings etwas anderes: Dass verglichen wird, was nicht vergleichbar ist.
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